Begrüßungsrede von Oberbürgermeister Klaus Jensen aus Anlass der feierlichen Verleihung des Oswald von Nell-Breuning-Preises der Stadt Trier an die Organisation „TransFair e.V.“
am Dienstag, 9. April 2013 in der Promotionsaula des Bischöflichen Priesterseminars Trier
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Staatsminister Schweitzer,
mit großer Freude darf ich Sie alle hier in der schönen Promotionsaula des Bischöflichen Priesterseminars im Namen des Rates, des Stadtvorstands und der Preisjury zur Verleihung des Oswald von Nell-Breuning-Preises der Stadt Trier 2013 willkommen heißen.
Meine Damen und Herren, zahlreiche Repräsentanten des öffentlichen Lebens unserer Stadt sind zu dieser feierlichen Preisverleihung gekommen, darunter Vertreter der Kirchen, der Politik und Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Umwelt- und Friedensverbände, der Kultur, der Hochschulen und Schulen. Ich heiße Sie alle gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern herzlich willkommen. Mit Ihrer Anwesenheit unterstreichen Sie zum einen die Bedeutung des Preises für unsere Stadt und zum anderen zollen Sie dem Preisträger und der Laudatorin Ihren Respekt und Ihre Anerkennung.
Ich freue mich ganz besonders, dass Schülerinnen und Schüler des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums als der Nachfolgeschule Oswald von Nell-Breunings auch diesen Festakt nach engagierter Vorarbeit mitgestalten. Viele Schulen in Trier beschäftigen sich mit den Anliegen des „FairTrade“-Gedankens. Deshalb bin ich gespannt darauf, was uns – als ein Beispiel – Schüler des Auguste-Viktoria-Gymnasiums über ihre Aktivitäten berichten.
Und ich freue mich ganz außerordentlich, dass ich von dieser Stelle aus jetzt etwas mitteilen darf, was fast noch ein Geheimnis ist: Als erste Schule von Trier und zweite von Rheinland-Pfalz wird die Wilhelm-Hubert-Cüppers-Schule noch in diesem Schuljahr zur Fairtrade-Schule ernannt werden! Vertreterinnen und Vertreter der Landesschule für Gehörlose und Schwerhörige wohnen dieser Feier bei und ich gratuliere Ihnen allen, der Schule, dem Lehrerkollegium und den Schülerinnen und Schülern, mit ganz großer Freude zu dieser Auszeichnung!
Meine Damen und Herrren, dem vom Stadtrat beschlossenen Statut entsprechend, vergibt die Stadt Trier seit 2003 alle zwei Jahre den „Oswald von Nell-Breuning-Preis“. Sie möchte damit ihre „Verbundenheit zu ihrem früheren Ehrenbürger dokumentieren, an das epochale Lebenswerk des Jesuitenpaters erinnern und gleichzeitig mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung der Weitergabe seines Vermächtnisses dienen“. Über die Verleihung der Auszeichnung entscheidet ein sogenanntes Preisgericht, dem ich an dieser Stelle für die konstruktive Mitwirkung und das gute Einvernehmen herzlich danke. Dieser Dank gilt auch dem Geschäftsführer, Herrn Dr. Lanfer.
Diese Jury mit den Vertretern der Ratsfraktionen (Herr Dr. Dempfle/CDU, Herr Teuber/SPD, Frau Rüffer/Bündnis 90/Die Grünen, Herr Dr. Gilles/FDP, Herr Gleißner/Die Linken), den Repräsentanten der Theologischen und der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Trier (die Herren Professoren Dr. Ockenfels und Dr. Braun) sowie der Philosophisch-Theologischen Fakultät der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt (vertreten durch Herrn Pater Schuster) hat einmütig entschieden, nach den bisherigen Preisträgern Professor Dr. Paul Kirchhoff, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, dem päpstlichen Hilfswerk „Cor Unum“, repräsentiert durch seinen damaligen Präsidenten und heutigen Kardinal Paul Josef Cordes, den Brüdern Dr. Hans-Jochen und Professor Dr. Bernhard Vogel sowie – vor zwei Jahren -– Dr. Norbert Blüm, den Oswald von Nell-Breuning Preis der Stadt Trier 2013 dem in Köln ansässigen gemeinnützigen Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der Dritten Welt „TransFair“ zuzuerkennen.
Als Vertreter des Vereins sind der Vorsitzende, Herr Heinz Fuchs, sein Geschäftsführer Herr Dieter Overath sowie die stellvertretende Geschäftsführerin, Frau Claudia Brück, von Berlin bzw. Köln zu uns an die Mosel gekommen. Ich begrüße Sie sehr herzlich und übermittle Ihnen für die Auszeichnung die Glückwünsche der Stadt und der Jury.
Meine Damen und Herren, eine feierliche Preisverleihung in einem so festlichen Rahmen ist erst dann formvollendet, wenn es jemanden gibt, der bereit ist, ein „Loblied“, eine Laudatio, auf die Ausgezeichneten zu singen, bzw. zu halten. Sie, sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete Wieczorek-Zeul haben sich dankenswerterweise bereit erklärt, diesen wichtigen Part zu übernehmen. Sie werden zwar nicht singen, aber wir sind auf ihre gesprochene Laudatio nicht minder gespannt! Sie sind eine prominente Unterstützerin von „TransFair“, engagieren sich seit vielen Jahren für den Fairen Handel und waren jahrelang, auch als Bundesentwicklungsministerin, Schirmherrin der bundesweiten Fairtrade-Wochen.
Die Jury hat diesmal ganz bewußt auf die Auszeichnung einer einzelnen Person verzichtet und die im Statut ausdrücklich erwähnte Möglichkeit der Verleihung des Preises an eine „Organisation oder Einrichtung“ aufgegriffen. Sie hat damit auch ein Zeichen setzen wollen, das Spektrum der Preiswürdigkeit im Sinne der von Pater Nell-Breuning formulierten Inhalte der katholischen Soziallehre zu erweitern und auch aktuelle zeitgemäße Umsetzungsformen zu würdigen.
Bei der Legitimierung, die traditionellen Fundamente der kirchlichen Soziallehre geographisch zu erweitern und ihre Grundprinzipien auf die sozialen Fragen unserer Tage zu richten, können wir uns auf die soziale Globalisierungsenzyklika „Caritas in veritate – Die Liebe in der Wahrheit“ des jüngst zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. vom Juni 2009 berufen. Dieses Rundschreiben, beinhaltet eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit den Zielanliegen und dem praktischen Handeln von „TransFair“. Da ist ganz konkret von Tausch- und sozialer Verteilungsgerechtigkeit die Rede, vom annehmbaren Lohn, von der Würde der menschlichen Arbeit und einem größeren Zugang zur Bildung, insbesondere für die Kinder. Grundsätzlich und sehr ausführlich setzt sich die Enzyklika mit dem Umweltschutz auseinander und betont dabei ausdrücklich das Prinzip der Nachhaltigkeit.
In seinen ersten Äußerungen hat sich der neue Papst, der sich den programmatischen Namen ‚Franziskus’ gewählt hat, als Fürsprecher der Armen und Schwachen erwiesen. Seine Wahl wird auch als Zeichen für mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Solidarität mit den Ländern der sogenannten Dritten Welt verstanden. Vieles deutet darauf hin, dass sich sein Pontifikat an den Grundsätzen der katholischen Soziallehre orientieren, diese weiter aktualisieren und somit stärken wird.
Und so gab es schon vor diesen jüngsten hoffnungsvollen Ereignissen bei uns in der Jury keinen Zweifel darüber, dass die Aktivitäten von „TransFair“ in idealer Weise den Maximen des Gedankenguts von Pater Nell-Breuning, wozu die Grundprinzipien der Gerechtigkeit, der Solidarität, des Gemeinwohls und der Subsidiarität zählen, entspricht.
Die Aussagen des Statuts, wonach das Wirken des Nestors der katholischen Soziallehre von der ganzheitlichen Betrachtung sozialer Strukturen und gesellschaftlicher Bedingungen geprägt ist, läßt sich auf das Agieren unseres diesjährigen Preisträgers deckungsgleich übertragen. Oswald von Nell-Breuning, so das Statut weiter, war ein „christlicher Kämpfer für eine gerechtere und menschenwürdige Gesellschaftsordnung. Geleitet vom Geist des Evangeliums setzte er sich bis in sein hohes Alter für die Benachteiligten ein“. Unser früherer, im August 1991 in Frankfurt/St. Georgen im Alter von 101 Jahren verstorbener Ehrenbürger hat immer wieder für menschenwürdige Arbeitsproduktionen Stellung bezogen, die Notwendigkeit und den Einsatz von Gewerkschaften verteidigt, Ausbeutung und Auswüchse des Kapitalismus als Verstoß gegen die göttliche Ordnung gebrandmarkt. Die soziale Verantwortung von Arbeit und Kapital für eine gerechtere Welt, das waren die großen Themen auch für den Trierer Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning. Immer bleibt wirtschaftliches Handeln an moralische Normen gebunden und dies nicht nur hier bei uns, sondern überall auf der Welt, auch und erst recht im Zeitalter der Globalisierung.
Die von Nell-Breuning formulierten ethisch-moralischen Grundwerte sind es, die auch „TransFair“ – wenn auch in teilweise abgewandelter zeitgemäßer Form – als Leitlinie dienen: fairer Handel bei fairen Preisen für die Menschen überall, aber besonders in den armen Regionen der Welt, Lohngerechtigkeit bei sozialen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, Schutz vor Ausbeutung und Kinderarbeit, Bewahrung der Schöpfung, bessere Gesundheits- und Bildungsangebote für die Benachteiligten dieser Erde.
Um nicht mißverstanden zu werden: Soziale Gerechtigkeit ist auch bei uns in vielen Bereichen noch längst nicht erreicht. Viele Verbesserungen sind nötig, damit die Menschen in unserem Land mit einem ausreichenden und gerechteren Einkommen, wozu für mich auch ein angemessener, gesetzlich festgelegter Mindestlohn gehört, ein würdiges Leben führen können. Zu dieser sozialen Verantwortung unserer Gesellschaft gehört auch eine bessere finanzielle Absicherung unserer immer älter werdenden Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sie in Würde alt und am Ende ihres Lebens nicht per se zu Hilfsempfängern werden läßt.
Es ist „TransFair“ gelungen, den Fokus auf große Probleme und Ungerechtigkeiten in den armen Regionen zu lenken, die mit etwas mehr Verantwortungsbewußtsein der sogenannten zivilisierten Welt, also unsererseits, von jedem von uns, erheblich gelindert werden könnten. „TransFair“ hat hier in den zurückliegenden Jahren für die Bewußtseinserweiterung Großartiges geleistet. Das Thema vom „fairen Handel“ mit all seinen Begleiterscheinungen ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Niemand kann mehr sagen, wir wüssten über die menschenunwürdigen, teilweise lebensgefährlichen Produktions- und Lebensbedingungen im Osten Europas, in Afrika, aber auch in den Billiglohnländern, in Bangladesch, Indien oder auch in China nicht Bescheid. Fernsehberichte über verheerende skandalöse Arbeitszustände, Brandkatastrophen aufgrund der skrupellosen Mißachtung elementarer Sicherheitsbestimmungen, werden uns ins Wohnzimmer geliefert und klagen auch uns in unserem zuweilen unkritischen Konsum-Verhalten an.
Mit der Förderung und Unterstützung fair gehandelter Produkte ist „TransFair“ zum sozialen Gewissen für eine gerechtere Wirtschaftsordnung geworden, die sich der Verantwortung einer weltweiten Solidarität mit dem Erfordernis für ein globales Gemeinwohl stellt. Gott sei Dank erfährt diese großartige Idee immer mehr Zuspruch. Auch die heutige Preisverleihung möchte zur Unterstützung und Verbreitung der Anliegen von „TransFair“ beitragen.
Und so ist es mir zum Abschluss meiner Begrüßung eine ganz große Freude, allen zu danken, die sich in Trier, in der Region und auch darüber hinaus, für die Idee und Anliegen von „TransFair“, für den Verkauf von Fairtrade-Produkten mit unglaublich großem Engagement und ungezählten, oftmals phantasievollen, tollen Aktionen immer wieder einsetzen. Der „Weltladen“ der AG Frieden in der Pfützenstraße fühlt sich seit 33 Jahren den „TransFair“-Gedanken verpflichtet Als überzeugte „Fairtrade-Stadt“ seit 2010, die auch die Erklärung des Deutschen Städtetages zu den UN-Milleniums-Zielen unterzeichnet hat, wären wir bei der Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen allein jedoch hilflos. Wir sind auf Mitstreiter angewiesen und sie sind da, in immer größer werdender Zahl, aber es dürfen gerne auch noch mehr werden!
Lassen Sie mich aus Zeitgründen nur einige erwähnen: Mit vielen Projekten greift die Lokale Agenda 21 Trier den Gedanken von „TransFair“ aktiv auf, die City-Initiative, Firmen, Geschäfte, Einzelhändler und Gastronomen, ja sogar einige Discounter sind dabei, Obdachlose betreiben einen Fairtrade-Verkaufsstand auf dem Hauptmarkt, Teilnehmer am Trierer Stadtlauf stärken sich mit fair gehandelten Bananen, in vielen Kirchengemeinden wird ein „faires Pfarrfest“ gefeiert. Und das Weltbürgerfrühstück auf dem Kornmarkt, zu dem ich Sie herzlich einlade, geht am 25. Mai in die siebte Runde! Mein Dank geht an jede einzelne Mitbürgerin und an jeden Mitbürger, an alle Initiativen, Behörden, Vereine, Schulen und Kirchen, die Fairtrade-Produkte verwenden und mit ihrem fast immer ehrenamtlichen Engagement mithelfen, dass der „TransFair“-Gedanke in unserer Stadt noch fester verankert werden kann.
Meine Damen und Herren, die Verleihung des Oswald von Nell-Breuning Preises ist für uns stets ein willkommener Anlass, auf das epochale Lebenswerk des in Trier geborenen Jesuitenpaters hinzuweisen und, wie es im Statut heißt, „mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung der Weitergabe seines Vermächtnisses“ zu dienen. Die Grundpfeiler der katholischen Soziallehre, wie sie von Nell-Breuning nachhaltig mitgeprägt wurden, bieten eine unverändert herausragende Orientierung, auch wenn die konkrete Wegweisung – wie sie von Pater Nell-Breuning zu vielen sozialen Anliegen seiner Zeit gegeben wurde – in unseren Tagen von vielen schmerzlich vermißt wird.
Kein geringerer als Bundespräsident Joachim Gauck, als Apologet des Katholizismus ja eher unverdächtig, hat die Bedeutung und Zeitlosigkeit der katholischen Soziallehre auf dem Mannheimer Katholikentag im Mai vergangenen Jahres wachgerufen. „Die katholische Soziallehre“, so der Bundespräsident, „hat viele der politischen Grundentscheidungen und politischen Institutionen der Bundesrepublik entscheidend beeinflußt. Die früh entwickelten Prinzipien der Personalität, der Solidarität und der Subsidiarität bleiben aktuelle Leitlinien auch in den gegenwärtigen Herausforderungen. Ob es um die Gestaltung Europas, um die Fragen der Bioethik oder um die gerechte Verteilung der Güter geht: Politisches Handeln und Entscheiden finden in dieser Soziallehre verläßliche Maßstäbe aus dem Glauben.“
„TransFair“, der diesjährige Träger des Oswald von Nell-Breuning Preises der Stadt Trier trägt mit seiner Arbeit dazu bei, der Gerechtigkeit zu dienen, solidarisch mit den unterdrückten und ausgebeuteten Menschen zu sein und ihnen über das Prinzip der Subsidiarität zu einem selbstbestimmten besseren Leben zu verhelfen. Mit der Jury bin ich mir sicher: Pater Oswald von Nell-Breuning würde sich mit den Grundzügen seines Wirkens in den Zielanliegen der Arbeit von „TransFair“ wiederfinden.
Meine Damen und Herren, ich heiße Sie zu dieser Feier noch einmal herzlich willkommen und erbitte jetzt Ihre Aufmerksamkeit für eine szenische Darstellung des FWG-„Statuentheaters“.
Herzlichen Dank!